Letzte Woche fand in Berlin der commercetools Partner Summit statt, an dem ich teilnehmen durfte. Wir nehmen das einfach mal als Aufhänger, um diese Woche tiefer in das Thema Composable Commerce einzutauchen. Comsysto Reply realisiert seit über 15 Jahren komplexe e-Commerce-Lösungen für Kunden aus allen Branchen. Parallel dazu verfolgen und analysieren wir relevante Trends in unserem e-Commerce Lab, um schon heute bereit für die Herausforderungen von morgen zu sein. Unsere Insights teilen wir hier - jede Woche dienstags!
Nachdem Gartner den Begriff “Composable Commerce” schon 2020 aufgebracht hat (Gartner), ist er 2025 aktueller denn je, da sich disruptive Veränderungen in der Branche abzeichnen. Auch die Vorträge von Branchengrößen auf der E-Commerce Expo Berlin gehen auf diese Zukunft ein, wie in der letzten Ausgabe dieses Newsletters nachzulesen ist. Und alle, die lieber zuhören als lesen, bekommen eine kurze Zusammenfassung von uns in diesem Podcast mit Otto Krammer und Beija Nigl.
Der bevorstehende Marktumbruch, ausgelöst durch Trends wie Marktplätze, Social Commerce und nicht zuletzt den AI-Boom, verlangt nach einem neuen Level an “Business Agility”, um den sich ändernden Kunden Erwartungen Rechnung zu tragen. Und hierfür ist natürlich die Technik, mit der e-Commerce-Landschaften gebaut werden, ein entscheidender Enabler.
Aber warum sind Composable und Headless so wichtige Eigenschaften für ein E-Commerce System?
Zunächst zur Begriffsklärung: Headless bedeutet einfach, dass Backend und Frontend separat deploybare Einheiten sind und sich durch eine API austauschen. Dadurch lassen sich beide leicht voneinander austauschen oder updaten. Composable überträgt das gleiche Konzept auf verschiedene Teile der Domäne, insbesondere im Backend.
Im Grunde geht es bei beiden Ansätzen um die Entkopplung von Funktionalitäten - sowohl innerhalb des Backends als auch die Entkopplung von Backend und Frontend. Software-Architekten wissen: Entkopplung ist generell immer ein Vorteil. Sie schafft zusätzliche Freiheitsgrade, indem sich ein System leichter den sich ändernden Geschäftsbedingungen anpasst.
Diese Grundprinzipien haben sich bei uns schon seit mehr als 10 Jahren im Bau von maßgeschneiderten IT-Systemen zur Unterstützung von geschäftskritischen Anwendungen bewährt, und das über alle Branchen hinweg. Fast überall steht die schnelle Anpassbarkeit der Software an sich ändernde Anforderungen im Fokus - genauso wie ein kontinuierlicher und kostengünstiger Betrieb. Gerade im e-Commerce-Universum findet man oft maßgeschneiderte Lösungen an genau den Stellen, wo ein Wettbewerbsvorteil entsteht und Dinge nicht nur “auch funktionieren” müssen.

Und genau hier spielt ein grundsätzlich auf Composable Commerce ausgelegtes System seine Stärken voll aus: in der einfachen Kombination von Standard-Lösungen einerseits und maßgeschneiderten Komponenten andererseits. Und natürlich umfasst das bei Bedarf auch die gegenseitige Austauschbarkeit.
Am Beispiel commercetools ist das sehr schön zu erkennen: Immer mehr Aspekte werden hier “out-of-the-box” mit abgedeckt, sowohl im Bereich B2B als auch B2C. Darüber haben auf dem Partner Summit sowohl Gründer Dirk Hoerig als auch CTO Hajo Eichler gesprochen. Das aktuell prominenteste Beispiel ist die POS-Lösung InStore (commercetools) - wenn auch bisher noch nicht in Europa. Trotzdem schätzen Online-Händler die Flexibilität, überall einzelne Bausteine anpassen und austauschen zu können. Nicht zuletzt aufgrund von unendlicher Abwärtskompatibilität aller APIs ohne Breaking Changes.
Wer sich noch ein bisschen weniger an ein kostenpflichtiges Tool koppeln möchte findet auch Alternativen wie Medusa, die ähnliche Funktionalitäten kostenlos und Open-Source zur Verfügung stellen. Auch hiermit haben wir uns in unserem e-Commerce Lab selbstverständlich bereits beschäftigt, beispielsweise hier.
Und wenn meine Plattform das nicht hergibt? Was dann?
Die Antwort ist “Replatforming”, also der Tausch des verwendeten Commerce-Systems. Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. Die meisten modernen Plattformen verfügen über eine API, auf deren Basis ein Custom-Storefront entwickelt werden kann. Dies kann ein guter erster Schritt sein, aus dem Vendor Lock-In, also der harten Kopplung an das aktuelle System, auszubrechen und dem späteren Tausch der E-Commerce-Plattform den Weg zu ebnen. Grundsätzlich gilt: wenn man die volle Kontrolle über das Frontend hat und dieses von Anfang an so gebaut ist, dass Vendor spezifische Teile sauber isoliert sind, ist ein sukzessiver Wechsel von einem System zu einem anderen möglich, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden oder zwangsläufig bereits optimierte Customer Journeys anpassen zu müssen.
Natürlich stellt sich auch die Frage: Will oder muss ich wirklich zu den ersten gehören, die auf sich ändernde Kundenerwartungen eingehen? Und lassen sich die Änderungen, bei denen die Antwort potentiell “Ja!” ist, in mein bestehendes System einpflegen bzw. werden sie dort schnell genug vom jeweiligen Anbieter integriert? In der Praxis ist das allerdings schwer im Vorfeld zu beantworten, weil die Antworten stark davon abhängen, wie radikal sich das e-Commerce-Umfeld in den nächsten Monaten verändern wird.
Ist Composable Commerce für jeden das Richtige?
Kurze Antwort: Nein. Denn nur wenn sich aus dem Rekombinieren von verschiedenen Produkten, vielleicht sogar mit eigenen Bausteinen, ein Wettbewerbsvorteil ergibt, ist der Aufwand gerechtfertigt. Und selbst dann sollte man sich zuerst fragen, ob die dafür nötigen Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung stehen - und zwar bevor man sich für ein System entscheidet, welches aus vielen beweglichen Teilen besteht. Dazu kommen noch Herausforderungen im Betrieb und bei der Überwachung eines verteilten Systems in einer Cloud-Umgebung, die oft Spezialisten in diesem Gebiet erfordern.
Manche Unternehmen verfügen intern über das nötige technische Know-How, um solche Umbauten und auch den folgenden Betrieb zu stemmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Marc O'Polo SE, wo seit kurzem auf commercetools gesetzt wird (Storyblok). Andere setzen auf externe Unterstützung und greifen hierfür auf die Partnernetzwerke der großen Tool-Anbieter zurück. Beides ist absolut valide und führt zum Erfolg, wenn sowohl das Ziel als auch die konkreten Schritte dorthin klar definiert sind und trotzdem die nötige Flexibilität beim Replatforming erhalten bleibt. Nicht vergessen, auch hier geht es am Ende um Business Agility!
Das war’s für heute - und so geht es weiter
Bei den momentan prognostizierten Innovationen im e-Commerce Bereich erhöht ein flexibles e-Commerce System die Chancen, mit dem im Umbruch befindlichen Markt mitzuhalten. Composable Commerce ist hierfür definitiv ein Schlüssel - generell braucht es einen modularen Aufbau und den Betrieb in der Cloud sowie eine professionelle Umsetzung durch IT Ressourcen, die der Aufgabe gewachsen sind.
In den nächsten Ausgaben werden wir weitere Themen aus unserem e-Commerce Lab und aus aktuellen Branchenevents tiefer beleuchten. Freut euch auf eine bunte Mischung aus AI, Logistik und vielem mehr.
Bis nächste Woche!
Christian & das Comsysto Reply e-Commerce Lab